Mittwoch, 3. November 2010

Schule in USA

In diesem Bericht eines Austauschschülers erfährt man mehr über Amerika als in einem ganzen Jahr durch eine Tageszeitung:

Austausch-Log USA


Maximilian Lüderwaldt, 17, staunte nicht schlecht, als an seiner Schule eine Art Massen-Outing stattfand. Und als er einem Deutsch-Kurs von seiner Heimat erzählte, traute er seinen Ohren kaum.

Da zappt man in seinem Auslandsjahr ab und an mal durch das amerikanische Fernsehen, und alles, was man sieht, sind entweder besonders glückliche oder total am Boden zerstörte Teenager. Und dann geht man am nächsten Tag in die Schule und sieht das ganze wieder - diesmal im echten Leben.

Den sogenannten Challenge Day, der vor Kurzem auch an meiner Schule über die Bühne ging, veranstalten Mitarbeiter eines Projektteams. Sie bauen durch ihre eigenen dramatischen Lebensgeschichten eine emotionale Stimmung auf, und im Laufe des Tages ist es an den Schülern, sich in diversen Gesprächsrunden und Aktivitäten immer weiter zu öffnen und ebenfalls über schlimme Erlebnisse in ihrem Leben zu erzählen.


Etwa 80 Prozent der Schüler plaudern ihr ganzes Privatleben aus. Am Schluss weiß die ganze Schule über die Probleme und Problemchen aller Bescheid. Es wird dramatisch, Mobber entschuldigen sich bei den Gemobbten, Freundschaften werden versprochen, vor allem fließen Tränen. Am nächsten Tag in der Schule ist alles wieder wie vorher.




Footballstars, die keinen Cent verdienen


Die meisten Schüler sind begeistert, Gefühle ausdrücken und große Emotionen sind hier in - das kommt einem als Deutschen in dem Ausmaß etwas fremd vor. Doch genau das sind die spannenden Momente in einem Auslandsjahr: das Beobachten von Kulturunterschieden.


Was in Deutschland der Fußball jede Woche aufs Neue schafft, gilt hier für American Football. Ich besuchte mit meiner Gastfamilie das Footballmatch zweier Universitäten, Ohio State University gegen Indiana University in Columbus. Das Stadion dort, in der Hauptstadt meines Heimatstaats Ohio, ist das sechstgrößte Stadion der Welt. Sitzt man auf der Tribüne und blickt auf das Meer von rotgekleideten Menschen, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.


Die Spieler, die bei jedem Spiel über 100.000 Zuschauer anlocken, sind zwar Stars - doch sie verdienen keinen Cent. Sie trainieren und spielen aus "Liebe zum Sport und ihrer Universität", so das Leitbild. Vor dem Spiel findet in der ganzen Stadt sogenanntes "tailgating" statt: Schon am Tag zuvor sichern sich Fans Plätze mit ihren Zelten, Hot-Dog-Grillern und Fernsehern, um am nächsten Tag das Event zu feiern. Das Spiel als solches wird kaum verfolgt, Football ist vor allem ein soziales Event, "to socialize", wie das Zauberwort der Amerikaner heißt.


Keine Chance dem "dirty dancing"


Ein besonderes Event für US-Teenager ist Homecoming, ein meist im Oktober über die Bühne gehender festlicher Anlass mit Sportereignis und Tanz. Wer mit wem in welcher Gruppe mit welcher Kleidung zum Essen ausgeht und danach gemeinsam zum Tanz fährt, beherrscht schon Wochen vor dem Ereignis alle Gespräche in der Schule.


Mädchen zittern, ob sie wohl ein Junge für ein Homecoming-Date fragen wird; es wird eine Homecoming-Queen gewählt; Gruppen werden gebildet. Die Schule sorgt sich derweil um den Tanzstil ihrer Schüler. Meine Schule handhabt das weniger strikt. Eine andere Schule, nicht weit von hier entfernt, filmt die Schüler live beim Tanz, und Eltern verfolgen das Gefilmte - um dem dirty dancing, wie es hier genannt wird, einen Riegel vorzuschieben.


Ein Vorurteil lautet, Amerikaner lebten in ihrer eigenen Welt, und alles, was nicht ihr Land betreffe, interessiere sie auch nicht, außer vielleicht ein paar Kriegsberichte. In dem Ort, in dem ich lebe, trifft das nicht zu. Als ich aber eine andere Highschool besuchte, um dort zu Schülern in deren Deutschunterricht zu sprechen, hörte ich das erste Mal die klassischen Fragen, die angeblich jeder Austauschschüler einmal über sich ergehen lassen muss.


Eine Schülerin kriegte sich vor Staunen gar nicht mehr ein, als ich ihre Frage bejahte, ob es in Deutschland Internet gebe. Als die Lehrerin hinzufügte, dass ich sogar ein Facebook-Profil hätte, hörte das Mädchen endgültig auf, meinen Worten zu glauben - "das kann doch nun wirklich nicht sein".