Samstag, 31. Oktober 2009

Russische Werte

Nach wie vor will Russland seinen eigenen Weg gehen. Doch es weiß nicht, wie es ihn gehen soll. Es weiß auch nicht, welchen Weg. Denn es gibt ihn noch nicht. Es wird ein geistiger sein. Dafür gibt es viele Anhaltspunkte. Solange übernimmt es Modelle anderer Kulturen und Staaten, um sie auszuprobieren. Aber niemals passt dieses Gewand so richtig:

Es folgen einige Auszüge aus einem Artikel
des russischen Schriftstellers Victor Jerofejewin der FAZ vom 30.10.09 :

"Warum mögen die Russen den Kapitalismus nicht? Historisch erklärt sich das aus einer religiös begründeten Volksmoral, die den Einzelnen dem gemeinschaftlichen Ganzen unterordnet, das Leben auf der Erde als sündhaft und von teuflischen Mächten gelenkt begreift. Demut sowie Verweigerung jeglicher Erfolgsorientiertheit und Privatinitiative stellen das Herzstück der traditionellen russischen Weltanschauung dar. Darauf beruhte in vielerlei Hinsicht jene Form des östlichen Despotismus, die jahrhundertelang als Muster für die unumschränkte Herrschaft der Zaren diente, im Stalinismus vertieft wurde und neuerdings als nützliches Ideal hier und da wiederauftaucht." ...

"Gespräche über den Sinn des Lebens.
Es scheint, als trete gerade in diesen Gesprächen die Besonderheit der Russen hervor: die ewige Suche nach dem Sinn des Lebens. Sie suchen ihr ganzes Leben nach dem Sinn des Lebens und sterben schließlich, ohne ihn gefunden zu haben, ihre Kinder übernehmen den Staffelstab, danach die Enkel.In den elitären Kreisen Moskaus überlässt die Philosophie des Glamours zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihren Platz den wiederauflebenden geistigen Werten. Übrigens sind die mir bekannten reichen Moskauer Unternehmer nicht der Meinung, dass Kapitalismus und geistige Werte unvereinbare Dinge seien. "

Montag, 26. Oktober 2009

Gute Literatur

In der Zeitschrift "Cicero"-Nov.2009 fand ich in einem Interview mit Marcel Reich-Ranicki folgende Aussage, als er auf Herta Müller und ihren Nobelpreis angesprochen wird:

"Die Verbrechen des Kommunismus sind in der Tat ein äußerst wichtiges Thema. Doch auch andere Autoren haben darüber geschrieben und viel geleistet: Solschenizyn beispielsweise....
Das Thema allein ist noch kein Garant dafür, dass große Literatur entsteht. ...

Das größte Missverständnis, dem ein Literaturkritiker aufsitzen kann, ist es, die moralische oder politische Haltung eines Autors mit der literarischen Qualität seiner Bücher zu verwechseln. Ich habe mich nie gescheut, darauf hinzuweisen, dass in großer Literatur vor allem Unterhaltsamkeit und Humor eine große Rolle spielen und dass der Wunsch, unterhalten zu werden, ein legitimes Bedürfnis des Lesers ist. ...

Gibt es einen Roman der vergangenen Jahre, der Sie begeistert hat?

Nicht einen einzigen. Die deutsche Gegenwartsliteratur halte ich für uninteressant. Eine Ausnahme ist die Lyrik. ...."

Freitag, 23. Oktober 2009

Individuum und Gemeinschaft

Es ist in vielen Gruppen nicht üblich, für den Einzelnen ein wirkliches, menschliches Interesse zu haben.

(Gemeint ist das Interesse im Moment, in dem die Gruppe als Gruppe zusammentritt und zusammenarbeitet, nicht außerhalb dieser Zeit, z.B. in einer Pause oder in der Freizeit. Es ist auch nicht gemeint das Interesse am anderen als privater Mensch, sondern an dem, was er in die Arbeit der Gruppe persönlich hineintragen kann.)

Der Andere ist für die Mitglieder gewöhnlich nur interessant als Teil der Gruppe. Sein menschlicher Wert wird daran gemessen, wie er sich den Prinzipien der Gruppe einfügt. Soweit er als Mensch "persönlich" oder individuell ist, so wirkt dieses Persönliche eher als Störung des Gruppenprinzips.

Das Gruppenprinzip dominiert, dem hat man sich unterzuordnen.

Dieses ist heute für jegliche geistige Entwicklung einer Gemeinschaft hemmend. Damit fesselt sich die Gruppe an die Vergangenheit, wo sie sich als Gemeinschaft konstituierte. Es findet immer nur das bereits Gewordene Anerkennung, nicht das aus dem Geiste einzelner Individuen errungene Neue.

Das neue Gruppenprinzip muss erkannt und erfühlt werden als ein höheres Wesen, dem wir uns in Freiheit und Liebe zuwenden, das uns beseelt in unserem Inneren. Dadurch entsteht erst die rechte Gemeinschaft.

In jeder "Einzelperson" offenbart sich dann dieses höhere, lebendige Gruppenwesen neu und einzigartig.

In den Gruppen alter Art ist es so, dass man das Interesse an der einzelnen Person verliert, wenn es sich nicht zumindest äußerlich dem Kollektiv unterordnet.

Je individueller sich einer äußert und verhält, desto mehr verliert man das Interesse an ihm.

Umgekehrt müsste es heute im Zeitalter der Bewusstseinsseele sein: ... desto wichtiger und interessanter müsste ein solches Mitglied für die Gruppe werden.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Ich war ein Sklave in Ägypten...

Heute stieß ich wieder auf die Rede, die der damalige Präsident von Israel, Ezer Weizmann, einst vor dem deutschen Bundestag hielt. Man kann darin spüren, welche Art von Lebensgefühl ihn mit seinem Volk und dessen Vergangenheit verbindet. Man muss die Aussagen wörtlich nehmen und sie nicht nur als bildliche Ausdrucksweise verstehen. Es offenbart sich dann etwas, was uns ganz fremd erscheint:


(Präsident Ezer Weizmann)
(als Stimme des ganzen Israel:) und empfing die Thora auf dem Berge Sinai, und zusammen mit Josua und Elia überschritt ich den Jordan. Ich habe Jerusalem an den Wassern von Babel nicht vergessen, und als der Herr Zion heimführte, war ich unter den Träumenden, die Jerusalems Mauern errichteten. Ich habe meine Familie in Kishinev verloren und bin in Treblinka verbrannt worden. Ich habe im Warschauer Aufstand gekämpft und bin nach Erez Israel gegangen, in mein Land. Erst 200 Generationen sind vergangen, seit ein Mensch namens Abraham aufstand, sein Land zu verlassen und in ein Land zu ziehen, das heute das Land Israel ist. Erst 150 Generationen sind vergangen von der Feuersäule des Auszugs aus Ägypten bis zu den Rauchsäulen der Schoa.
.....Meine Damen und Herren, wir sind ein Volk der Erinnerung und des Gebets. Wir sind ein Volk der Worte und der Hoffnung. Wir haben keine Reiche geschaffen, keine Schlösser und Paläste gebaut. Nur Worte haben wir aneinandergefügt. Möge Frieden noch zu unseren Zeiten gestiftet werden.
Amen.
(Präsident Weizmann am 16.1.1996 in der Rede vor dem Deutschen Bundestag)

Freitag, 9. Oktober 2009

Intellektuelles Denken und Intuition

Man geht im Alltagsbewusstsein davon aus, dass der Mensch bevor er etwas tut, seine Tatvorhaben gründlich bedenken müsse und dann zu logisch nachvollziehbaren Handlungen kommen soll.

In der Realität misslingen viele solche Handlungen. Auf lange Frist betrachtet erreicht man oft nicht das Ziel, das man sich gedanklich vorgenommen hat. Da will einer sein Kind z.B. so erziehen, dass es ein guter Mensch wird. Es entwickelt sich aber anders. Es entwickelt sich nicht nach logisch-gedanklichen Gesichtspunkten. Schließlich kommt es vielleicht zu einem Zerwürfnis zwischen dem dann jungen Erwachsenen und den Eltern. Diese sind enttäuscht, dass ihre Erziehungsbemühungen sich nicht verwirklicht haben. Sie suchen nach den Ursachen, geben diesem oder jenem die Schuld.

Das Leben verläuft anders. Lebensgemäße Entscheidungen und Taten lassen sich nicht aus einer logisch vernünftigen Gedankentätigkeit heraus entwickeln.

Die aktive Gedankentätigkeit sollte man z.B. dafür verwenden, dass man jeden, auch kleineren Lebenszusammenhang im Nachhinein gedanklich betrachtet: Ich handle; danach betrachte ich die Folgen und Wirkungen meiner Handlungen mit Gedankenklarheit. Wenn ich dieses mit Konsequenz betreibe, dann spüre ich die wirklichen Kräfte auf, die im Leben walten.

Manche Handlungen, die aus einer unüberlegten Spontanität heraus geschahen, haben eine viel größere Wirkung als die wohlüberlegten. Auch eine Tat rein aus Liebe kann viel bedeutsamer im Leben sein.

In diesem Zusammenhang mag dem Leser der folgende Artikel interessant erscheinen:


Aus: DIE WELT - WELT ONLINE

Intuition siegt über Analyse

Von Jutta Beiner 9. September 2008, 11:19 Uhr

Muss der Patient auf die Intensivstation? Welche Aktien sollte man kaufen? Experimente zeigen: Das Bauchgefühl entscheidet besser

Princeton - Hat das Prinzip der reinen Vernunft ausgedient? Intuitive Entscheidungen dürfen längst öffentlich, selbst in Politik und Wirtschaft, als solche geoutet werden. Hirnforscher warten auf mit einer Fülle neuer Erkenntnisse rund um das viel zitierte Bauchgefühl. "Die Erforschung der neuronalen Vorgänge, die sich bei intuitiven Entscheidungen vollziehen, erlebt derzeit einen dramatischen Auftrieb", erklärt Jonathan Cohen von der Princeton University (US-Bundesstaat New Jersey).

Erstaunt zeigen sich die Forscher unisono vor allem darüber, wie präzise und erfolgreich solche Entschlüsse oft geraten. "Je komplexer eine Entscheidung, desto mehr sollte man seinem Unbewussten vertrauen", hebt auch der niederländische Sozialpsychologe Ap Dijksterhuis hervor. Sigmunds Freuds Vorstellungen über verdrängte Altlasten, die das Unbewusste belagern, müssen zumindest ergänzt werden.

Neuere Forschungen ergeben, dass dort, in jenen dem Willen unzugänglichen Räumen, auch allerlei Nützliches verborgen liegt, als geheimer Erfahrungsschatz, der intuitiv genutzt werden kann. "Gute Intuition ignoriert Informationen", sagt Professor Gerd Gigerenzer, Direktor am Berliner Max-Planck-Institut (MPI) für Bildungsforschung. "Ich definiere Intuition durch drei Komponenten", erläutert er. "Zum ersten ist sie ein Urteil, welches schnell im Bewusstsein ist. Es ist einfach da. Zum zweiten ist sie stark genug, um unser Handeln zu leiten. Zum dritten, und dies ist der wesentlichste Punkt, ist Intuition ein unbewusster Prozess."

Gigerenzer ist überzeugt, dass analytische Entscheidungen nicht unbedingt die besseren sind, selbst wenn sie von vielen immer noch bevorzugt werden. Dies belegt auch ein Experiment des Heidelberger Psychologen Henning Plessner: Probanden hatten die Kursverläufe von fünf Aktien von einem Nachrichtenticker laut zu lesen. Außerdem wurde ihnen aufgetragen, die zugleich auf dem Bildschirm gesendeten Werbespots einzuschätzen. Vermittelt wurde ihnen, die Spots seien die Hauptaufgabe. ......


Fortsetzung und Quelle:

http://www.welt.de/wissenschaft/psychologie

Samstag, 3. Oktober 2009

"Lerne zu schweigen"

"Lerne zu schweigen. Schweigen ist Macht. Behandelt man Dich ungerecht, beleidigt man Dich, sag kein Wort, schau sie nur an - und denke. Denke, was Du willst! Lass Dich nicht hinreißen. Es gibt nichts Stärkeres als Wut - außer der Kraft, die sie zurückhält, die ist stärker."

Aus: Ulla Hahn, Aufbruch - S. 16