Der Milliardär betritt in Jeans den Besprechungsraum der erschreckend schönen Villa an der Basler St.-Alban-Anlage. Im Laufe des Gesprächs krempelt er sich die Ärmel seines Hemds hoch. Seine Sprache kann man als direkt bezeichnen. Er lacht auch laut – und erzählt, wie er sich jeweils am Samstag in Jeans und Slippers nach getanem Wocheneinkauf am Basler Marktplatz eine Bratwurst gönnt. So hat man sich einen der reichsten Schweizer, dessen Vermögen auf 1,5 Milliarden Franken geschätzt wird, nicht vorgestellt.

Thomas Straumann hat sich am Leiden anderer gesundgestoßen. Der Baselbieter ist ein Pionier der modernen Medizinaltechnik. Er entwickelt Zahn- und Knochenimplantate. Ende der achtziger Jahre, als ausgelernter Feinmechaniker im familieneigenen Unternehmen namens Straumann erkannte er das riesige Potenzial dieses Geschäfts – nachdem sein Vater am dritten Herzinfarkt verstorben war. Durch diesen Schicksalsschlag erhielten Thomas Straumann und seine drei älteren Schwestern von einem Tag auf den anderen die Verantwortung für ein mittelgroßes Familienunternehmen, ein Unternehmen, das nicht nur in der Medizintechnik tätig war, sondern auch in der Uhrenzulieferindustrie und im Heizungsgeschäft.

Als der Betrieb 1990 unter den Familienmitgliedern aufgeteilt wurde, wählte der damals 27-jährige Sohn das Geschäft mit den Zahnimplantaten, das für sich allein nie tragend gewesen war. Es war ein Glücksgriff, wie man heute weiß. Hat Straumann also nur Glück gehabt, und sein Milliardenvermögen hat sich wie von selbst angehäuft? Er stellt sein Schicksal gerne als glückliche Fügung dar – was natürlich mit der Wirklichkeit nicht sehr viel zu tun hat.

Thomas Straumanns Erfolgrezept ist ein anderes: Er hat sich einen starken Spieltrieb erhalten, er sucht das Risiko – und belohnt sich im Erfolgsfall mit neuem, noch edlerem Spielzeug. So hat er heute einen stattlichen Wagenpark mit seltenen Exemplaren wie einem Aston Martin Thunderball für 2,7 Millionen Franken oder einem Porsche, Baujahr 1948. Und ein paar Rennpferde sowie zwei Hotels, das Grand Hotel Bellevue in Gstaad und das Les Trois Rois in Basel, die er für sehr viel Geld renovieren ließ. Vor der Villa, wo seine Holding namens Centervision ihren Sitz hat, parkt ein sportlicher Porsche Cayenne mit dem Autokennzeichen BS 555.

Seit Kurzem ist Straumann auch Mehrheitsaktionär der Schaffhauser Luxusuhrenfirma H. Moser & Cie, die ihre Einzelfabrikate vor allem reichen Arabern und Chinesen verkauft. Roger Nicholas Balsiger, Urenkel von Firmengründer Heinrich Moser, sagt: »Thomas Straumann ruht sich nicht auf seinem Geld aus. Er investiert in der Forschung und überall dort, wo er emotional interessiert ist. Sein unternehmerisches Denken und Handeln erinnern stark an jenes meines Urgroßvaters.«

Straumann, 46 Jahre alt, einmal geschieden, heute wieder verheiratet und fünffacher Vater, würde nie so über sich selbst sprechen. Er erzählt lieber, er sei kein strebsamer Schüler gewesen, eher eine »faule Socke«, verhehlt deswegen aber keineswegs seinen Stolz, einen Ehrendoktortitel der Universität Basel erhalten zu haben – für seine Verdienste in der Medizinaltechnik. Ein verträumtes Kind sei er gewesen, sagt er, das die beschauliche Rudolf-Steiner-Schule besuchte; erinnert sich dann aber unverhofft, wie in ihm schon als Knirps der unternehmerische Geist spukt, als er vor dem häuslichen Keller einen Tisch aufstellt und der Mutter das vorrätige Gemüse für zehn oder zwanzig Rappen verkauft. Oder: Bereits 14-jährig gründet er seine erste »Firma«, spielerisch: die Haflinger AG, die mit einem entsprechenden Nutzfahrzeug auf dem Firmengelände den Abfall an die Straße hinuntertransportiert und dafür dem Familienbetrieb eine Rechnung stellt. Dass Thomas Straumann bereits in der Lehre einen Porsche 911 fährt, ist nicht etwa auf einen extravaganten Lebensstil in der Familie zurückzuführen, sondern eher auf das Geschick des »Händelers«, seinen alten Volvo zunächst in einen Occasions-BMW umzutauschen und später dafür einen Vorführ-Porsche aufzutreiben. Faule Socke? Von wegen.

»Nach dem Tod des Vaters bot sich eine enorme Chance«, sagt Straumann. Das Unternehmen, 1954 vom Großvater Reinhard Straumann gegründet, war zunächst spezialisiert auf Metalllegierungen für die Uhrenherstellung. Ein Durchbruch in der Verwendung nicht korrodierender Legierungen bei der Behandlung von Knochenbrüchen veranlasste dann den Sohn, Fritz Straumann, sich mit Osteosynthese und Implantologie zu befassen und einen weiteren Geschäftszweig zu erschließen. Nach dem Tod von Fritz Straumann erfolgte 1990 die Abspaltung des Geschäfts mit den Knochenimplantaten, was zur Gründung der Firma Stratec Medical, später Synthes, führte. Thomas Straumann konzentrierte sich mit 25 Beschäftigten auf die damals »noch total jungfräuliche« Dentalimplantologie......

Quelle und Fortsetzung:http://www.zeit.de/2009/