Donnerstag, 6. Mai 2010

"Für sie war Schönheit etwas Nebensächliches, für uns alles."

Die großen modernen, wissenschaftlichen Errungenschaften wie Mikroskop oder Fernrohr geben ja in Wahrheit kein wirkliches Bild der Welt, sondern ein verfälschtes. Das richtige Bild der Welt erhält der Mensch durch seine Sinne. Nur über Sinneseindrücke können die physischen, seelischen und geistigen Eindrücke in Harmonie kommen und den Menschen zu sinnvollen Erkenntnissen führen.

Henry Miller beschreibt, wie er beim Besuch einer Sternwarte, das geradezu Zerstörerische eines Teleskopes erlebt:

„Ich bezweifle, dass ich die Wirkung dieses ersten atemberaubenden Blickes auf eine zersplitterte Sternenwelt zu beschreiben vermag. Das Bild, das mir als Gleichnis ewig im Gedächtnis bleiben wird, ist eine strahlende Fensterrose in Chartres, die durch eine Handgranate zerschmettert wurde: Ein Gleichnis in doppelter, ja dreifacher Hinsicht – von Ehrfurcht einflößender unzerstörbarer Schönheit, von kosmischer Schändung, vom Ruin der Welt, der wie ein verhängnisvolles Omen in der Luft schwebt, von der Ewigkeit der Schönheit, selbst wenn sie zerstört und entheiligt ist...

Unsere Gastgeber schienen solchen Überlegungen unzugänglich zu sein; sie sprachen gelehrt von Gewichten, Distanzen, Substanzen und so weiter. Sie standen der normalen Tätigkeit ihrer Mitmenschen fremd gegenüber wie wir, aber in einer ganz anderen Weise. Für sie war Schönheit etwas Nebensächliches, für uns alles. Für sie war die physisch-mathematische Welt, die in ihren Instrumenten pulst, durch sie gewogen, gemessen und übermittelt wird, die Wirklichkeit, und Sterne und Planeten waren lediglich Prüfsteine ihrer hervorragenden und unfehlbaren Beweisführung: Für... mich lag die Wirklichkeit völlig jenseits der Reichweite ihrer kümmerlichen Instrumente, die in sich nichts anderes waren als der plumpe Widerschein ihrer beschränkten Phantasie, die auf ewig in dem hypothetischen Gefängnis der Logik eingesperrt ist. ....

Auch bin ich nicht überzeugt von der Wirklichkeit eines Sternes, wenn ich ihn durch das Fernrohr einer Sternwarte sehe. Er mag glänzender sein wundersamer, tausendmal oder millionenmal größer als beim Anblick mit bloßem Auge, aber er ist nicht einen Deut wirklicher. ...