Freitag, 22. August 2008

Synästhesie

  Wenn 9 (weinrot) + 2 (gelb) eine orange 11 ergeben...
Immer häufiger trifft man in den letzten Jahren auf Menschen, die synästhetische Erfahrungen schildern. Z.B. werden Buchstaben oder Zahlen mit anderen Sinneserfahrungen verbunden erlebt. So taucht beispielsweise bei jeder Zahl, die vorgestellt oder wahrgenommen wird, auch eine entsprechende Farbvorstellung auf. Interessanterweise ist diese Farbergänzung sehr individuell, also dieselbe Zahl kann für verschiedene Menschen mit dieser Wahrnehmungsfähigkeit unterschiedliche Färbungen haben.

Es folgen einige Schilderungen, die man im NEWSLETTER 1/2008 der Deutschen Synästhesie-Gesellschaft e.V. findet:

„...Olivier Messiaen gilt als größter französischer Komponist des 20. Jahrhunderts. Er wurde am 10.12.1908 in Avignon, Frankreich, geboren. Bereits als Achtjähriger komponierte er, mit elf Jahren kam er an das Pariser Konservatorium, an dem er ab 1942 lehrte. Sein Werk wurde vor allem durch seine Beschäftigung mit fernöstlicher Musik, durch seine tiefe Religiosität, seine Liebe zum Gesang der Vögel und nicht zuletzt durch seine Klang-Farbe-Synästhesien bestimmt. Viele Aussagen Messiaens weisen darauf hin, dass er Synästhetiker war. Er sagte zum Beispiel: „Wenn ich Musik höre, sehe ich entsprechende Farben. Wenn ich Musik lese (indem ich sie innerlich höre), sehe ich entsprechende Farben. ... Es handelt sich um ein inneres Sehen, um ein geistiges Auge. Es sind wunderbare, unaussprechliche Farben von außerordentlicher Vielfalt. Wie sich die Töne regen, verändern, bewegen, so bewegen sich diese Farben mit ihnen in fortwährenden Wandlungen.” „Ich habe oft in meiner Klasse den Schülern Akkorde vorgespielt und sie gefragt: Welche Farbe ist das? - sie haben überhaupt nichts gesehen...” Für Messiaen war G-Dur gelb. Er sagte über die Farbe Gelb: „Ich liebe sie nicht - Sie haben sicherlich festgestellt, dass es nicht viel G-Dur in meiner Musik gibt.” und „Aber am häufigsten kommt die Tonart A-Dur in meiner Musik vor, und sie ist blau.”


Synästhetische Erlebnisse einer Frau im Frühling

...Noch wenn die Bäume kahl sind und kaum bunte Blumen aus der Wiese leuchten, wird meine Welt immer bunter. Ich sehe Töne in Farben, und das erste leise Vogelgezwitscher führt zu feinen Farbklecksen in meiner Welt: Amseln klingen hellgrün, Meisen orange bis rosa. Und manchmal zieht ein graurosa Streifen durch die Landschaft: eine träge dahinschwebende brummelnde Hummel. ...

Eine andere Frau schreibt:

...Bei Geräuschen erlebe ich Farbsynästhesien (Coloured Hearing). Das führt dazu, dass mir Geräusche sehr früh und sehr detailliert bewusst werden, weil ich sie in Farben sehe. Wenn z.B. ein Zug kommt, erkenne ich an schmalen hellblauen Linien (denn so klingt es, wenn die „Gleise singen“), dass ein Zug naht, lange bevor andere Menschen bewusst etwas hören oder gar sehen."


Wahrscheinlich lebt in jedem Menschen mehr oder weniger verborgen diese Fähigkeit. Man kann es als eine sinnvolle Aufgabe ansehen, die eigenen Sinneserlebnisse wieder so zu intensivieren und zu verlebendigen, dass man durchaus bei einem Ton übt, eine bestimmte Färbung zu erleben. Zunächst einmal wird man dafür seine Phantasie und gefühlsmäßigen Empfindungen zu steigern versuchen. Vielleicht kann man das auch mit Kindern üben, so dass sie gewissermaßen diese zunächst keimhaft vorhandene Fähigkeit, in sich wecken oder verstärken.