Donnerstag, 24. Dezember 2009

Scipios Geist-Traum

Heute wird in der FAZ auf einen alten hellseherischen Text von Scipio hingewiesen. In einer Überarbeitung will ich ihn hier noch einmal veröffentlichen:

Traum Sicipios

von Marcus Tullius Cicero

Der „Somnium Scipionis": Schlussstück des Dialogs "De re publica" von Cicero. Entnommen der Internetseite http://12koerbe.de/pan/qu.htm von Hans Zimmermann. - Stark gekürzt. D.C.


Scipio (Publius Africanus minor -* 185 v. Chr.129 v. Chr.) begegnet im “Traum” seinem Adoptiv-Großvater Africanus maior ( Publius Africanus maior -* 236 v. Chr.183 v. Chr.),und seinem Vater Paulus (Lucius Aemilius Paullus Macedonicus -* um 229 v. Chr.160 v. Chr.) und wird von diesen über seine Schauungen aufgeklärt.


"...Hier zeigte sich mir Africanus maior, mein Großvater. Sobald ich ihn erkannt hatte, fuhr ich allerdings zusammen, aber jener sprach: "Bleib bei Bewusstsein und lass die Furcht fahren, Scipio, mein Enkel, und nimm ins Gedächtnis auf, was ich dir sage."

Hier fragte ich, ob er selbst denn lebe und auch mein Vater Paulus und alle die anderen, die wir für tot hielten.

"Eben die leben", sprach er, "die aus den Körperfesseln wie aus dem Kerker entflohen, während euer sogenanntes Leben nur Tod ist. Siehst du nicht deinen Vater Paulus, wie er zu dir kommt?" Sobald ich diesen erblickte, vergoss ich eine Menge Tränen, jener aber hinderte mich, indem er mich umarmte und küsste, weiter zu weinen.

Und, kaum dass ich meine Tränen verdrückt hatte und wieder zu sprechen fähig war, fragte ich ihn: "Bitte sag mir, heiligster und bester Vater, da dies nun das Leben ist, wie ich Africanus maior sagen höre, was bleibe ich auf Erden? Warum beeile ich mich nicht, zu euch zu kommen?"
"So ist es nicht", antwortete jener. "Denn solange nicht der Gott, dessen Tempel alles dies ist, was du hier erblickst, dich von diesen Wächtern deines Körpers befreit hat, kann dir der Zugang hierher nicht offen stehen.

Die Menschen sind nämlich unter dem Gesetz geschaffen, jenen Ball zu bewachen, den du in diesem Tempel in der Mitte siehst, der Erde genannt wird, und ihnen ist ein Bewusstsein gegeben aus jenen ewigen Feuern, die ihr Gestirne und Sterne nennt, die kugelig und rund, belebt von göttlichen Geistwesen, ihre Kreisbahnen mit erstaunlicher Geschwindigkeit vollenden.

Deshalb musst auch du, Publius, und jeder Frommgesinnte sein Bewusstsein in der Bewachung des Körpers zurückhalten und ohne Geheiß dessen, von dem jenes Bewusstsein euch gegeben ist, dürft ihr nicht aus dem menschlichen Leben davonwandern, damit ihr nicht vor der vom Gott zugewiesenen Menschen-Aufgabe zu fliehen scheint.

Aber so, Scipio Publius, mein Sohn, wie dein Großvater hier, und wie ich, der ich dich gezeugt habe, pflege Gerechtigkeit und fromme Gesinnung. Solch ein Leben ist die Straße zum Himmel und in die Vereinigung all derer, die schon gelebt haben und vom Körper gelöst jenen Ort bewohnen, den du hier siehst", – es war aber dieser Kreis zwischen den Flammen leuchtend in hellstem Glanz -, "den ihr, wie ihr es von den Griechen übernommen habt, Milchstraße nennt."

Von dort aus schien mir, wie ich es betrachtete, alles übrige herrlich und wunderbar. Es gab dort aber Sterne, die wir niemals von diesem Ort aus gesehen haben, und Größenverhältnisse bei ihnen allen, von denen wir keine Ahnung gehabt haben; die Kugeln der Sterne aber übertrafen die Größe der Erde mit Leichtigkeit. Ja die Erde selbst erschien mir so klein, dass es mich unseres Reiches, mit dem wir nur gleichsam einen Punkt von ihr berühren, schämte.

Als ich diese näher betrachtete, fragte der Africanus: "Bitte, wie lange noch wird dein Geist an die Erde geheftet sein? Siehst du nicht, in was für Tempel du gekommen bist? In neun Kreisen oder vielmehr Globen ist alles ineinander verschachtelt, von denen einer der himmlische ist, der äußerste, der alle anderen umfasst, der höchste Gott selbst, der die übrigen beschirmt und zusammenhält; in dem jene befestigt sind, die dort entlangwälzen, die ewigen Umläufe der Sterne.

Ihm untergeben sind sieben, die in Gegenbewegung zum Himmel sich rückwärts drehen.
Darunter allerdings gibt es nichts als Sterbliches und Hinfälliges, außer den Seelen, die als Gabe der Götter dem Menschengeschlecht gegeben sind; oberhalb des Mondes ist alles ewig.

Denn diejenige, die die mittlere und neunte ist, die Erde, bewegt sich nicht und ist die unterste, und auf sie fallen alle Gewichte hinab durch die eigene Neigung."

Als ich dies staunend betrachtete, fragte ich, sobald ich mich wieder gefasst hatte: "Was ist das für ein gewaltiger, süßer Klang, der meine Ohren erfüllt?"

"Es ist jener, der von dem Antrieb und der Bewegung der Sphären selbst hervorgebracht wird. Eben deswegen wird jener höchste sterntragende Himmelsumlauf, dessen Umschwung erregter ist, mit einem hohen und lauten Ton bewegt, mit dem tiefsten Ton aber dieser unterste Mondumlauf; denn die Erde als neunte, die unbeweglich bleibt, hängt in ihrer Stelle,

indem sie den Mittelpunkt der Welt umfasst.

Jene acht Umläufe jedoch, bei denen zwei die gleiche Größe haben, bewirken sieben in Intervall-Abständen auseinandergesetzte Töne; indem gelehrte Menschen dies mit Saiten und Gesängen nachahmten, öffneten sie sich die Rückkehr zu diesem Ort, wie auch andere, die aufgrund ihrer herausragenden Begabungen im menschlichen Leben göttliche Studien betrieben haben.

Von diesem Klang erfüllt sind die Ohren der Menschen taub geworden; und es gibt auch keinen abgestumpfteren Sinn bei euch, wie, wo der Nil in die sogenannten Katadupa herabstürzt von den höchsten Bergen, das Volk, das jenen Ort bewohnt, wegen des lauten Tosens des Gehörssinns entbehrt. Dieser Klang aber ist so laut aufgrund des intensiven Umschwungs des ganzen Alls, dass ihn die Ohren der Menschen nicht fassen können, wie ihr auch nicht in die Sonne geradewegs hineinblicken könnt, und von ihren Strahlen eure Sichtschärfe und euer Augenlicht überwältigt wird."

Über all dies verwundert richtete ich dennoch den Blick unverwandt auf die Erde. Da sprach Africanus: "Ich sehe, dass du Wohnsitz und Stätte der Menschen betrachtest; wenn es dir so klein scheint – wie es ja auch ist, dann blick immer zum Himmlischen auf und schätze jenes Menschliche gering. Denn welche Berühmtheit im Gespräch der Menschen oder welchen erstrebenswerten Ruhm kannst du erlangen? Du siehst, dass man auf Erden an spärlichen und engen Orten wohnt, und an diesen selbst, diesen "Flecken", wo man wohnt, wüste Einöden, dazwischengeschoben, und dass die Leute, die die Erde bewohnen, nicht nur so abgeschirmt sind, dass nichts zwischen ihnen von den einen zu den anderen fließen kann, sondern auch teils abseits, teils quer zu euch, teils auch euch entgegen stehen.

Bei diesen könnt ihr sicherlich keinen Ruhm erwarten."

„Kamaloka“ heißt des Antroposophen

nachtodlicher Höllenofen.

Als Werdender ist er bestrebt,

dass er es lebend schon erlebt.

nach M.Eggert