Der Trauminhalt ist fast immer ein von mir "gefärbter". Die Färbung verstärkt sich dann noch in ihrer Subjektivität, wenn ich beginne, den Traum zu interpretieren. Da färbe ich nun zum zweiten Mal den Traum, nach dem Willen und den Wünschen meines Ichs.
Somit besteht die allergrößte Möglichkeit eines doppelten Irrtums in Bezug auf Menschen und Vorgänge in meiner Umgebung.
In allen handelnden Personen in einem Traum können in Wahrheit Teile meines eigenen Ichs aktiv sein, die ich in diese Personen hineinspiegele.
So ist es bei Interpretationen sinnvoll, an erster Stelle sich selbst in den Traumbildern zu empfinden.
Ein Beispiel für solche Traumverhältnisse veröffentlicht Martin Walser in seinen Tagebüchern:
"Gestern Nacht: R-R (ein gefürchteter Literaturkritiker der FAZ) rennt mir im Traum nach und will mit mir reden... ich renne fort: Er immer hinter mir her. Ich spüre es als eine große Annehmlichkeit, ihn so leiden zu lassen. Ich stelle sogar fest, dass er jetzt darunter, dass er nicht mit mir sprechen kann, genauso leidet, wie ich, wenn ich mit jemandem, mit dem ich unbedingt sprechen müsste, nicht sprechen kann...das wird mir jetzt so intensiv bewusst, das fühle ich im Augenblick so stark, dass ich plötzlich das Gefühl habe, der, der da hinter mir herrennt, ist gar nicht R-R, das bin ich. Ich bin ganz bei dem, der hinter mir herrennt. Ich spüre nur noch , was er empfindet. Ich empfinde nicht mehr den Genuss, ihn nicht herankommen zu lassen. Ich bin der, der hinterherrennt. Der Traum erlischt."
Quelle: FAZ 13.März 2010, Beilage "Bilder und Zeiten"-Seite Z3