Geschrieben wurden diese Lehren für jeden, der die Wahrheit sucht. Beachte sie!
(In der Theosophischen Gesellschaft hatten diese Anweisungen für den Geistesschüler eine Bedeutung. In der Anthroposophischen Gesellschaft wurden sie dann abgelöst durch die Schrift "Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten" von Rudolf Steiner.)
Bevor das Auge sehen kann, muß es der Tränen sich entwöhnen. Bevor das Ohr
vermag zu hören, muß die Empfindlichkeit ihm schwinden. Eh' vor den Meistern kann
die Stimme sprechen, muß das Verwunden sie verlernen. Und eh' vor ihnen stehen
kann die Seele, muß ihres Herzens Blut die Füße netzen.
1. Ertöte den Ehrgeiz.
2. Ertöte die Liebe zum Leben.
3. Ertöte den Wunsch nach Behagen.
4. Wirke gleich denen, die ehrgeizig sind. Achte das Leben gleich denen, die's lieben.
Sei glücklich gleich dem, der dem Glücke nur lebt.
Such in dem Herzen die Wurzel des Bösen und reiße sie aus. Denn es treibt und es
wuchert im Herzen des eifrigen Jüngers gleichwie in den Herzen der Kindern der Welt.
Nur der Starke vermag es zu töten. Der Schwache jedoch muß sein Wachstum
erwarten, sein Reifen, sein Sterben.
Durch Weltenalter wächst dies Kraut im Menschen. Es wuchert, doch in Blüte tritt es
erst, wenn vieler Leben Unzahl er durchlaufen. Wer der Beherrschung Weg betreten
will, muß dieses Kraut aus seinem Herzen reißen. Wohl wird alsdann das Herzblut
reichlich fließen, das ganze Leben wird vernichtet scheinen. Die Prüfung aber muß
bestanden werden. Vielleicht tritt sie an dich heran schon bei dem ersten Schritt des
wagnisvollen Klimmens hinauf zum Lebensweg, vielleicht beim letzten. Bedenke wohl:
Sie muß bestanden werden, - und setze alle Kräfte ans Vollbringen. Nicht in dem
Augenblicke darfst du leben, nicht in der Zukunft, - nur im Ewigen. Dort kann dies
Riesenunkraut nicht gedeihen: der Hauch schon eines Ewigkeitsgedankens tilgt diesen
Flecken aus von deinem Dasein.
5. Ertöte den Sinn für das Sondersein.
6. Ertöte das Streben nach Sinnenwirkung.
7. Ertöte die Gier nach dem Wachstum.
8. Doch stehe einsam auf dich selbst beschränkt, weil nichts, was an dem Erdenkörper
haftet, nichts, was vom Sinn des Sonderseins erfüllt, nichts, was der Ewigkeit entfremdet
lebt, dir Hilfe bringt. Beachte die Empfindung. Nur wenn es dir gelingt, aus ihr zu
erlernen, erschließt du dir der Selbsterkenntnis Pforte und klimmst empor der Leiter
erste Stufe. Gleichwie die Blume unbewußt erwächst, doch sehnsuchtsvoll, dem Licht
sich zu erschließen, so wachse du; so strebe sehnsuchtsvoll, dem Ewigen die Seele zu
erschließen. Doch nur das Sehnen nach dem Ewigen darf Kraft und Schönheit dir
entwickeln, der Wunsch nach Wachstum nicht; denn während jenes zu höchster
Reinheit Schöne dich entfaltet, erstarrt des andren mächtige Leidenschaft dich zur
persönlichen Gestaltung.
9. Trachte nach dem nur, was in dir wohnt.
10. Trachte nach dem nur, was jenseits des Selbst liegt.
11. Trachte nach dem nur, was stets unerreichbar.
12. Denn in dir wohnt das Licht der Welt, - das einzige, das deinen Weg bestrahlt.
Vermagst du nicht es in dir zu erkennen, du wirst es anderwärts vergebens suchen. Und
dennoch liegt es jenseits deiner selbst. Dringst du zu ihm, hast du dich selbst verloren.
Und unerreichbar ist's denn immer weicht's zurück. In seinen Lichtkreis magst du
dringen, doch seine Flamme wirst du nie berühren.