Anthroposophisch orientierte oder inspirierte Menschen im öffentlichen Leben
_13.3.09
Saul Bellow und die Anthroposophie
Von Lorenzo Ravagli
Der Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse geht dieses Jahr an Eike Schönfeld für seine Übertragung des Romans Humboldts Gift von Saul Bellow.
Aus der Begründung der Jury: »Dieser Roman ist ein todtrauriges, grandios komisches Buch über Literatur, Liebe und Leben, Begierde und Tod. Er ist ein überwältigendes Sprach- und Erzählspiel, eine, wie es Saul Bellow selbst sagte, Komödie des ›schwachsinnigen Infernos‹. Schönfeld, einer der sprachwitzigsten, tonsichersten und fleißigsten Übersetzer aus dem Amerikanischen ins Deutsche, hat sich als idealer Botschafter für dieses Werk erwiesen. Seine kongeniale Übertragung ist genauso ›lebendig, ironisch, spöttisch und klug‹, wie der San Francisco Examiner den Ursprungstext einst charakterisierte.«
Der Roman von Saul Bellow ist aber auch ein Dokument für die Beschäftigung seines Autors mit Anthroposophie. Wie bei einem Teppichgewebe durchziehen die Fäden des anthroposophischen Gedankenguts die dahinstürmenden inneren Monologe des Ich-Erzählers.
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»Ich widmete den Steiner-Meditationen lange Stunden und tat mein Bestes, den Toten nahezukommen ... Ich war der Auffassung, dass die uneingeweihten Toten in ihrer Unwissenheit Schnitzer machten und litten. Besonders in den ersten Phasen fühlte die Seele, die leidenschaftlich mit ihrem Körper vereint und mit Erde befleckt und dann plötzlich getrennt war, eine Lücke, so wie die Amputierten ihre fehlenden Beine spüren. Die erst kürzlich Verstorbenen sahen von Anfang bis Ende alles, was ihnen zugestoßen war, das ganze beklageswerte Leben. Sie brannten vor Schmerz. Die Kinder, die toten Kinder insbesondere, konnten ihr Leben nicht verlassen und blieben unsichtbar nahe bei denen, die sie liebten, und weinten. Für diese Kinder brauchten wir Rituale – tut etwas für die Kinder, um Himmels willen! Die älteren Toten waren besser gerüstet und kamen und gingen bedächtiger. Die Dahingeschiedenen wirkten im unbewussten Teil einer jeden lebendigen Seele, und einige unserer höchsten Vorhaben waren möglicherweise von ihnen eingegegeben ... Die Seelen der Toten hungerten nach der Vollendung ihrer Läuterung und nach der Wahrheit ... Die Zeit, die Toten etwas zu fragen, sind die letzten Augenblicke vor dem Einschlafen. Die Toten hingegen erreichen uns am leichtesten, wenn wir gerade erwachen ... Eine okkulte Eigentümlichkeit, an die ich mich nicht gewöhnen konnte, war, dass die Frage, die wir stellten, nicht uns entsprang, sondern den Toten, an die sie gerichtet war. Wenn die Toten antworteten, war es eigentlich die eigene Seele, die sprach. Solch eine spiegelhafte Umkehrung war schwer zu begreifen. Ich habe lange darüber nachgegrübelt.«
Von Kathleen gefragt, was er tun wolle, wenn ein Bekannter von ihm außer Gefahr sei, antwortet der Ich-Erzähler: »dass ich dann wahrscheinlich einen Monat in Dornach bei Basel verbringen würde, in dem Schweizer Steiner-Zentrum, dem Goetheanum. Vielleicht würde ich mir dort ein Haus mieten, wo Mary und Lish den Sommer mit mir verbringen könnten.«
Als ich Ende der 1970er Jahre in Dornach studierte, fanden intime Seminare über die Mysteriendramen Rudolf Steiners in einem Haus statt, das zu dieser Zeit vom Literaturnobelpreisträger Saul Bellow angemietet worden war. Bellow selbst bin ich damals leider nicht begegnet. ...."
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