Als ich diese meldung las, konnte ich es kaum glauben.
"Morgen wird die letzte Rate einer Anleihe fällig, die Deutschland 1990 aufgenommen hat, um Zinsen für seine Kriegsschulden zu bezahlen
BERLIN - Er gilt vielen als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ und geht an diesem Sonntag in gewisser Weise endgültig zu Ende: der Erste Weltkrieg. Denn morgen wird die letzte Rate einer zwanzigjährigen Anleihe fällig, die das wiedervereinigte Deutschland 1990 aufgenommen hat, um Zinsen für Kredite zu bezahlen, mit denen einmal die Kriegsschulden aus dem Ersten Weltkrieg beglichen werden sollten. Konkret geht es um rund 75 Millionen Euro, die jetzt vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Berlin-Weißensee ausgezahlt werden.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs durch den Waffenstillstand am 11. November 1918 wiesen die Westmächte dem Deutschen Reich im Versailler Vertrag die alleinige Schuld zu und verbanden dies mit einer gewaltigen Reparationsforderung. Begründet wurde sie auch mit der Tatsache, dass der Krieg im Westen fast ausschließlich auf französischem Gebiet stattgefunden hatte und es dort Zerstörungen in gewaltigem Ausmaß gab.
Da Deutschland nie in der Lage war, die finanziellen Forderungen aus eigener Kraft zu begleichen, kam ein etwas sonderbarer Kreislauf in Gang: Die USA gaben Deutschland Kredite, mit denen Berlin die Reparationen im Wesentlichen an Frankreich und Großbritannien bezahlte. Diese Länder wiederum beglichen mit den Einnahmen aus Deutschland ihre eigenen Kriegsschulden in den USA. Ein paar Jahre lang funktionierte das recht gut. Als aber nach dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 dieser Kreislauf zusammenbrach, verschärfte das die Weltwirtschaftskrise ungemein. Erst im Sommer 1932, wenige Monate vor Hitlers Machtantritt, wurden die Reparationen endlich gestrichen.
Doch die Anleihen, die Deutschland vor allem in den USA aufgenommen hatte, um in den Jahren zuvor die Reparationen zu bezahlen, mussten weiter bedient werden. Erst im Zweiten Weltkrieg hörte die NS-Regierung mit diesen Zahlungen auf. Als Deutschland dann auch diesen Krieg verloren hatte, sahen zumindest die westlichen Alliierten ein, dass Reparationen kein geeignetes Mittel waren, um in Deutschland eine demokratische Entwicklung zu fördern. Im für die Bundesrepublik sehr günstigen Londoner Schuldenabkommen wurde 1953 auch festgelegt, dass die Zinsen für die Anleihen aus der Zwischenkriegszeit erst nach einer möglichen Wiedervereinigung bezahlt werden müssten. So kam das Thema 1990 wieder auf die Tagesordnung. Es wurde beschlossen, zur Begleichung der verbliebenen Zinsforderungen in Höhe von 239,4 Millionen DM eine neue Anleihe mit einer Laufzeit von 20 Jahren aufzulegen. Und die letzte Rate dieser Anleihe wird nun fällig. (Von Joachim Riecker)"