Nach Solowjew müssen wir selber in Europa die Forderungen, die sich aus einem wahren - nicht kirchenpolitischen - Christentum ergeben, erfüllen damit wir dem standhalten werden, was aus einem erstarkenden China nach Europa heranbranden wird:
"Im Jahre 1890 erschien 1890 der Aufsatz „China und Europa“. Solowjew beschäftigte sich einleitend mit der chinesischen Expansion in Südostasien, Australien und Kalifornien sowie der bevorstehenden Modernisierung der staatlichen und militärischen Macht Chinas und ließ schon in diesem Zusammenhange deutliche Befürchtungen durchblicken. Doch lag der Schwerpunkt seiner Ausführungen auf ganz anderem Gebiet, in der Darstellung der geistigen Welt des Reiches der Mitte und der Art und Weise wie diese die gesellschaftliche Organisation Chinas durchdringe, …
Wenn er chinesische und europäische Kultur als gleichbedeutend ansah, so doch nicht als gleichwertig.
Solowjew hatte sich eine „christlich-europäische Idee des Weltprogresses als des Weges zur Erreichung des wahren Lebens“ gebildet, und im Gegensatz zum Prinzip der unveränderten Bewahrung des Alten in China begründete er die Überlegenheit des Europäertums mit der diesem innewohnenden Forderung: „Wir sollen unser Leben ständig besser und vollkommener gestalten, bis wir jene Lebensfülle erreichen, die alles in sich vereinigt, und bis die Vergangenheit zu einem ewigen und wahrhaft unveränderlichen Leben aufersteht.“
Auch in der chinesischen Lebensordnung liege eine Wahrheit, allerdings eine nicht mehr entwicklungsfähige und der Verkümmerung preisgegebene, die ihre Erfüllung nicht mehr finden könne. Eben diese Erfüllung könnten die Europäer China bieten: „Unermüdlicher Progress als Mittel eines wirklichen Dienens der Ahnen, unaufhörliches Streben zu einer idealen Zukunft als der richtige Weg zur Erweckung der Vergangenheit – das ist die wahre innere Aussöhnung der zwei extremen Kulturen....Doch.. müssen wir selber der vollen Wahrheit treu sein, die das Christentum eröffnet hat. Im widrigen Fall wird China für uns zu keiner Eroberung, sondern zu einer drohenden Gefahr werden … wie es die moslemische Welt für das Europa des Mittelalters gewesen ist.“
Die Kritik an China führte Solowjew also zur europäischen Selbstkritik! In Europa sah er sein Ideal des christlichen Fortschritts nur ungenügend verwirklicht; ... Die „Gelbe Gefahr“ realisierte sich für Solowjew erst dann, wenn Europa sich des Verrats an der Fülle der christlichen Wahrheit schuldig mache. Denn in diesem Falle entgehe den Europäern auch jener „Teil der Wahrheit ... der dem Chinesentum seine Kraft verleiht.
Solowjew schloss seine Betrachtung mit der These: „Unser falscher Konservatismus zerfällt von inneren Widersprüchen wie auch der falsche Progressismus, und die Chinesen werden sich nicht nur als stärker erweisen, sondern sie werden es auch von Rechts wegen sein: sie bleiben sich selbst getreu.
Wenn die europäische christliche Welt sich treu bleibt, d. h. treu den Weltchristentum, so kann China uns nicht gefährlich sein. Wir werden auch den Fernen Osten erobern, aber nicht durch Waffen, sondern durch die geistige Kraft, die einem Bekenntnis der vollen Wahrheit eigen ist und die auf alle Menschenseelen wirkt, welchem Stamm sie auch angehören mögen:“
"...Im Gegensatz zu China betrachtete er Japan als für die westliche Zivilisation gewonnen, und er hielt es für einen seltsamen Anachronismus, dass zu seiner Zeit im Westen auch eine Vorliebe für östliche, buddhistische Religionsformen sich ausbreite...: „Es wäre sonderbar, wenn eine Religion, die Japan hinter sich hat, Europa beleben könnte."